Nach dem im Mai 1980 verlorenen Endspiel des FC Rot-Weiß Erfurt um den FDGB-Pokal wurde der langjährige Clubvorsitzende Werner Günther nun endgültig von seiner Funktion entbunden. Schon seit einigen Jahren hatte er große gesundheitliche Probleme und rechnete mit seiner Abberufung. Weil Werner Günther darüber hinaus die Sportsystemvorstellungen des DTSB und damit dessen Struktur der Schwerpunktclubs im Fußball größtenteils unterstützte oder zumindest nicht infrage stellte, wurden die durchaus vorhandenen legalen wie illegalen Handlungsspielräume nur wenig ausgenutzt. Insbesondere die Organisation von Spielprämien und anderen materiellen wie sozialen Privilegien für Spieler und Funktionäre des Clubs war bescheiden. Vor dem Hintergrund dieser begrenzten Möglichkeiten war es für den FC aussichtslos, sich mit namhaften Spitzenspielern anderer Oberligamannschaften verstärken zu wollen und offenbar hat es in den 70-er Jahren auch gar keine Versuche hierfür gegeben.

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Dass 1980 nun endlich auch diese längst überfällige Personalentscheidung getroffen wurde, hing wohl auch mit dem Wechsel an der Spitze der Bezirksleitung Erfurt der SED zusammen. Mit Alois Bräutigam, der als Erster Sekretär von 1958 bis 1980 agierte, wurde ein SED-Funktionär abgelöst, der nur mäßiges Interesse an der Erfurter Mannschaft besaß. Im April 1980 wurde mit Gerhard Müller sein Nachfolger ernannt, bis dahin 2. Sekretär der Bezirksleitung Neubrandenburg. Mit ihm kam ein Fußballfanatiker auf diese Position und im Verbund mit Karl-Heinz Friedrich, dem seit Oktober 1980 amtierenden neuen Vorsitzenden des FC Rot-Weiß, wurde in Erfurt in den folgenden Jahren der Versuch unternommen, in die Spitzengruppe der Oberliga vorzudringen.

Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Vorsprache beim Ersten Sekretär der SED-Bezirksleitung. Dort legte er seine Vorstellung eines dauerhaft in den internationalen Wettbewerben spielenden FC Rot-Weiß Erfurt dar. Mit Hilfe des fußballfanatischen Gerhard Müller als Erstem Sekretär der Bezirksleitung Erfurt der SED und Karl-Heinz Friedrich als neuem Clubvorsitzenden wurde das, was er in Jena seit vielen Jahren beobachtet und erfahren hatte, nun auch in Erfurt angewandt:

"Der hat die Dinge von Jena alle mit übernommen und in Erfurt eingeführt. Deshalb haben wir ja 30, 40 Mann gehabt. Internatsleiter, eine Reinigungskraft im Fußballclub für das Steinhaus und für unser Haus Rotes Schloss, eine Frau für Wäsche und so weiter.“ (Gustav Schmidt)

Karl-Heinz Friedrich bemühte sich um eine für DDR-Verhältnisse weitgehende Professionalisierung aller Bereiche und setzte den Hauptschwerpunkt auf die deutliche Erhöhung der finanziellen Anreize für Spieler und Funktionäre. Bemüht wurde sich nun auch um die Verbesserung der Repräsentation des FC, eine bessere Ausstattung mit Trainingsmaterialien, eine Verstärkung der medizinischen wie sozialen Betreuung und Verpflegung der Mannschaften des FC, vor allem jedoch der Oberligamannschaft, die Verbesserung der Trainingsmöglichkeiten durch den Ausbau eines Trainingscamps in Dachwig und eine sprunghafte Zunahme der Spielprämien und anderer materieller wie sozialer Privilegien, welche durch den Druck und die Fürsprache der SED-Bezirksleitung auf einige Großbetriebe Erfurts ermöglicht wurden. In einigen Fällen mussten die Verantwortlichen jedoch gar nicht erst überzeugt werden. Insbesondere bei den Kombinaten VEB Umformtechnik und VEB Mikroelektronik saßen an den entscheidenden Stellen ebenso Anhänger des FC Rot-Weiß. Diese förderten von nun an neben dem Trägerbetrieb Optima, wenn auch illegal, den Club großzügig. Karl-Heinz Friedrich gelang es, dass der FC RotWeiß auch ohne Qualifikation für einen Europacupwettbewerb internationale Freundschaftsspiele austrug. Beispielhaft sei der 3:2-Sieg gegen Eintracht Braunschweig im März 1982 in einem lange vorher ausverkauften Georgij-Dimitroff-Stadion erwähnt.

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Vor diesem Hintergrund und der Ende der 70-er Jahre herangeführten starken Erfurter Nachwuchsjahrgänge war die Erwartung, dass der FC Rot-Weiß Erfurt nun endlich die zur Teilnahme an den Europacupwettbewerben notwendigen Tabellenplätze erreicht, groß. Unter dem Trainer Manfred Pfeifer, der allerdings zunehmende gesundheitliche Probleme bekam und sich daher nur unzureichend in die tägliche Trainingsarbeit einbringen konnte, erreichte die Mannschaft 1980/81 und 1981/82 jeweils einen siebten Tabellenplatz. Als im Frühjahr der nachfolgenden Saison das Ziel des vierten Platzes wiederum in Gefahr geriet, wurde im April 1982 mit Siegmar Menz der bisherige Co-Trainer zum Cheftrainer der befördert. Ihm traute die Bezirksleitung zu, die spielerisch veranlagte und offensivstarke Mannschaft in die oberen Tabellenregionen zu führen. Zehn Spieler seiner damaligen Nachwuchsoberligamannschaft, die unter ihm die DDR-Meisterschaft in der NachwuchsOberliga errungen hatten, integrierte er in die Oberligamannschaft. Mit Menz erreichte der FC Rot-Weiß in der Saison 1982/83 den fünften Platz, die beste Platzierung seit dem 1955 errungenen Meistertitel des SC Turbine Erfurt. Die Rot-Weiß-Spieler Josef Vlay, Carsten Sänger, Andreas Winter, Wolfgang Benkert und Bernd Nemetschek spielten zu dieser Zeit in der DDR-Olympiaauswahl, die Erfurter Jürgen Heun und Martin Busse in der A-Nationalmannschaft.

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Vereinslogo des FC Rot-Weiß Erfurt seit 1984:

Vereinslogo des FC Rot-Weiß Erfurt ab 1984

Doch der weitere Aufschwung blieb aus, notwendige namhafte Verstärkungen auf einzelnen Positionen blieben aus, die Mannschaft stagnierte. Nach einem siebten Platz in der Saison 1983/84 musste Siegmar Menz den Posten des Cheftrainers räumen und Karl-Heinz Friedrich konnte seinen Wunschkandidaten nach Erfurt holen: Hans Meyer, der einige Monate zuvor beim FC Carl Zeiss Jena von seinen Traineraufgaben aufgrund sportlichen Misserfolgs entbunden wurde. Meyer brachte aus Jena das trainingsmethodische Wissen mit und fand inzwischen beim FC Rot-Weiß ein professionelles Umfeld und eine spieltechnisch gute und offensivstarke Mannschaft inklusive des aus Jena zurückgekehrten Rüdiger Schnuphase vor.

Aber auch ihm gelang es nicht, mit Erfurt in die Riege der Schwerpunktclubs einzudringen. Wieder konnten nur Mittelfeldplätze erreicht werden. Anders als in Jena von Mitte der 50-er bis Mitte der 70-er Jahre gelang es dem FC Rot-Weiß Erfurt trotz aller nun ausreichend vorhandenen finanziellen Mittel und eines größeres Handlungsspielraums gegenüber DTSB und DFV der DDR nicht, sich mit Spitzenspielern anderer Oberligamannschaften, welche die Mannschaft hätten führen können, weiter zu verstärken. Nachdem aufgrund des ausbleibenden Erfolgs 1986 bereits der Clubvorsitzende Karl-Heinz Friedrich auf Entscheidung der Bezirksleitung der SED abgelöst wurde, und nachdem sich zwischen Teilen der Mannschaft und dem Trainer immer größer werdende Differenzen auftaten, traf dies im Frühjahr 1987 schließlich auch Hans Meyer.

Und wieder wurde, wie schon einmal mit Gerhard Bäßler 1973, ein bereits gescheiterter und abgelöster Fußballtrainer auf Betreiben der Bezirksleitung und vermutlich durch die Fürsprache des Bezirksvorstands Erfurt des DTSB reaktiviert und wieder für die Oberligamannschaft des FC Rot-Weiß Erfurt eingesetzt. Manfred Pfeifer übte dieses Amt aber nur noch bis zum Sommer 1988 aus, eine sich verschlimmernde Krankheit ließ eine straffe Mannschaftsführung und die notwendige Präsenz im FC nicht mehr zu. Nach einer Saison und dem zwölften Platz kam es erneut zu einem Trainerwechsel beim FC Rot-Weiß, nun wurde der seit einigen Jahren erfolgreich als Trainer im Nachwuchsbereich des DFV der DDR arbeitende ehemalige Nationalspieler Wilfried Gröbner eingesetzt.

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Unter dem neuen Clubvorsitzenden Rainer Döhling wurde das bisher praktizierte System der Geldbeschaffung aus den Kultur- und Sozialfonds der Erfurter Großbetriebe weiter so verfolgt, die Durchsetzungsfähigkeit und die Hartnäckigkeit Friedrichs fehlte aber. Die zugleich im Bezirk Erfurt finanziell aufrüstenden Betriebssportgemeinschaften, vor allem die BSG Robotron Sömmerda, waren in der zweiten Hälfte der 80-er Jahre dann für einige Erfurter Oberligaspieler so attraktiv, dass sie dorthin wechselten (z.B. Martin Busse oder Josef Vlay). Dem FC Rot-Weiß mangelte es Ende der 80-er Jahre aber an herausragendem Nachwuchs als auch weiterhin an sehr guten Verstärkungen mit Spielern anderer Oberligamannschaften, sodass die sportlichen Probleme nicht geringer wurden. So stellte sich auch mit Wilfried Gröbner kein Erfolg ein, der FC Rot-Weiß Erfurt musste in der Saison 1988/89 sogar um den Verbleib in der Oberliga bangen und belegte am Ende nur einen wiederum nur einen zwölften Platz. In der ersten Halbserie 1989/90 blieb es beim Erfurter Club bei diesen sportlichen Leistungen, auch hier ging es wieder einmal gegen den Abstieg und der Trainer Gröbner wurde am Ende des Jahres von seinen Aufgaben entbunden.

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Der Text ist ein Auszug aus: Michael Kummer: Die Fußballclubs Rot-Weiß Erfurt und Carl Zeiss Jena und ihre Vorgänger in der DDR. Ein Vergleich ihrer Bedingungen. Dissertation, Potsdam 2010.

Die Bilder stammen alle aus dem Archiv Olaf Schwertner.

Vielen Dank an Autor und Bildgeber.